Hellas: Die Griechen vor einer Herkules-Aufgabe
Im Rahmen eines Reisestipendiums der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa durfte ich vom 2. bis 25. Februar 2011 nach Griechenland reisen. Die meiste Zeit verbrachte ich in der Hauptstadt Athen. Zudem reiste ich nach Nafplio, Patras, Meteora, Volos sowie Thessaloniki.
Meine Reise hatte zum Ziel, Antworten auf folgende Fragen zu finden: Wie erleben junge Griechen die dramatischen gesellschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Wirtschafts- und Schuldenkrise. Gegen wen richtet sich ihr Unmut? Wie sieht die Generation junger Griechen angesichts der Krise ihre Zukunft und welche Rolle spielt die EU noch darin?
Was mir klar wurde: Griechenland ist nicht erst seit Beginn der Krise ein Land mit fundamentalen wirtschaftlichen Problemen und einem Mangel an sozialem Grundvertrauen. Folglich ist auch die Beziehung zwischen Staat und Bürgern, insbesondere jungen Bürgern schon länger beeinträchtigt. Giorgios aus Thessaloniki erklärte mir, dass es ein extrem großes Misstrauen gegenüber dem Staat gebe, weil das politische System von Klientelismus und Korruption gezeichnet sei.
Auf meiner Reise wurde deutlich, dass die griechische Jugend frustriert, wütend und desillusioniert ist. Der rasante Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit auf über 40 Prozent, sinkende Löhne, und vor allem die mangelnde Perspektive entfremdet viele junge Griechen weiter vom Staat. Sie kritisieren die aktuelle politische Elite als Ganzes und machen sie für die miserablen Perspektiven verantwortlich. Das Legitimationsproblem des Staates wird so durch die Schuldenkrise weiter verstärkt.
Darüber hinaus konnte ich die Gefahr eines drohenden Brain-Drain Griechenlands feststellen. Sehr viele junge, hoch motivierte, und sehr gut qualifizierte Griechen werden in den nächsten Monaten ihrer Heimat den Rücken kehren, weil sie keine Zukunft mehr in ihrer Heimat sehen. Auf meiner Reise lernte ich beispielsweise Natasha kennen, die schon länger den Plan verfolgt, auszuwandern. Sie hat einen Abschluss in Architektur und spricht drei Sprachen fließend, sieht aber keinerlei Perspektiven in ihrer Heimat. Sie berichtete mir, dass sie schon sehr verzweifelt sei, weil sie bereits lange nach einem Job suche. Genau aber auf Menschen wie Natasha wird es ankommen, wenn Griechenland sich wieder von der Schuldenkrise erholen will, da sie das nötige Wissen, die Motivation und den Tatendrang haben, ihr Land zu verändern.
Hoffnung geben Berichte und Erfahrungen von einem Erstarken der bisher schwach ausgeprägten griechischen Zivilgesellschaft. Dies könnte dazu führen, dass die verkrusteten Strukturen des politischen Systems langsam durchbrochen werden. Souzana beispielsweise ist optimistisch, dass die Schuldenkrise die Menschen in Griechenland wieder näher zusammenbringe und ein neues Gemeinschaftsgefühl kreiere, das helfe, die fundamentalen gesellschaftlichen Probleme wie Korruption und Klientelismus gemeinsam zu bewältigen.
Julian Rappold



