Genshagener Forum für deutsch-französischen Dialog

Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Solidarität: Welche Energiestrategie für Europa?
Das 3. Genshagener Forum für deutsch-französischen Dialog, welches einmal jährlich von der Stiftung Genshagen und dem Institut Montaigne organisiert wird, brachte am 8. und 9. November 2012 etwa einhundertdreißig europäische Experten zum Thema „Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit, Solidarität: Welche Energiestrategie für Europa?“ in Schloss Genshagen (bei Berlin) zusammen. Das diesjährige Forum stand unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, und Claude Bartolone, Präsident der Assemblée nationale.
Foto: Kaja Grope
Foto: Kaja Grope

Politiker, Unternehmer, hohe Beamte, Vertreter von Gewerkschaften, Journalisten, Wissenschaftler und Studenten trafen sich zu einer offenen Debatte über die Herausforderungen der europäischen Energiepolitik sowie die Positionierungen Deutschlands und Frankreichs in diesem Bereich in Genshagen.

Jerzy Buzek, Mitglied des europäischen Parlaments und dessen ehemaliger Präsident sowie ehemaliger Premierminister Polens, eröffnete das Forum. Der Befürworter einer „europäischen Energiegemeinschaft“ betonte in seiner Rede die Rolle Deutschlands und Frankreichs, beide Haupt-Energieverbraucher der EU, in Bezug auf die Implementierung einer gemeinsamen Energiepolitik. Er plädierte außerdem für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen denjenigen Mitgliedstaaten, die sich bereits für die Energiewende entschieden haben, selbst wenn im Detail unterschiedliche Strategien angewendet würden. Jerzy Buzek unterstrich die Notwendigkeit, die drei folgenden Ziele der Energiepolitik gleichmäßig zu gewichten: die Kontrolle der Kosten, die Versorgungssicherheit und den Klimaschutz.

Den Teilnehmern bot das Genshagener Forum – trotz des bekannten deutsch-französischen Prioritätenkonflikts im Energiebereich – die Gelegenheit, gemeinsame Denkanstöße zu erarbeiten. In folgenden Punkten zeichnete sich ein Konsens ab:

- Eine europäische Energiepolitik ist – insbesondere aufgrund der zunehmenden Verflechtung der Transportnetze und der Energiemärkte – notwendig. Gleichwohl bleibt ihre konkrete Ausgestaltung offen: Der Artikel 194 des Lissabon-Vertrags, der die nationale Souveränität bezüglich der Zusammensetzung des Energiemixes in jedem Mitgliedstaat festlegt, stellt diesbezüglich eine wahrhafte Hürde dar. Das Ziel sollte jedoch nicht sein, die Entscheidungen zu vereinheitlichen, sondern den Austausch auf allen Ebenen zu verstärken sowie die Abstimmungsprozesse für die Erarbeitung wichtiger Entscheidungen zu systematisieren;

- Die Energiefrage und das Thema der Wettbewerbsfähigkeit sind eng miteinander verbunden: Der Industrie sollte Energie zu vernünftigen Preisen zur Verfügung stehen, die im Vergleich zu den weltweiten Preisen nicht zu hoch ausfallen dürfen. In dieser Hinsicht müssten die aktuellen energiepolitischen Zielvereinbarungen (Agenda 2020, Energy Roadmap 2050) überprüft werden;

- Die Energiewende muss als langfristige Politik angelegt und von ambitionierten EU-Förderprogrammen für Energieinvestitionen begleitet werden;

- Die Unabhängigkeit im Energiebereich darf nicht als das einzige, für alle bedingungslos geltende Ziel wahrgenommen werden. Die Diversifizierung und die Flexibilisierung unserer Versorgung (insbesondere durch die Integration und die Verbindung der nationalen Märkte) müssen mit großem Nachdruck fortgesetzt werden;

- Technische und technologische Fortschritte sind unentbehrlich, um die Energiewende zu gewährleisten und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Die Forschung muss daher aktiv unterstützt werden, auch durch die Bereitstellung entsprechender öffentlicher Mittel;

- Ein Dialog mit der Zivilgesellschaft über die Herausforderungen und die noch offenen Fragen im Energiebereich muss unbedingt initiiert werden, insbesondere wenn es um die Entwicklung der grenzüberschreitenden Netze oder die Standorte der Energieerzeugung geht;

- Die Steigerung der Energieeffizienz – die durch eine konsequente Stadtentwicklungspolitik gefördert werden muss – bleibt eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende in Europa.

Ein in Kürze verfügbarer Tagungsbericht informiert detaillierter über die einzelnen Panels und Gesprächskreise und wird in Kürze unter www.stiftung-genshagen.de/genshagenerforum verfügbar sein.