"Mein Europa" - ein Interview mit dem Journalisten Wolf S. Bruer

Über 700 Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich als Botschafter an dieser Kampagne. Wir haben bei Wolf S. Bruer nachgehakt, warum er sich für Europa engagiert.

1. Warum unterstützen Sie die Kampagne?

Meine Familie hat, wie so viele andere Familien auch, viele Opfer im 2. Weltkrieg, vor allem durch die Gewalttaten der Nazis, erleiden müssen.
Ich erwarte mir von einem wirtschaftlich, und vielleicht später auch politisch geeinten und demokratisch regierten Europa, den Schutz der Menschen- und Bürgerrechte
auf diesem Kontinent, auf unserem Kontinent, nicht mehr aus dem Blickwinkel von egoistischen und verführbaren kleinen Nationalstaaten, sondern mit Unterstützung
aller 500 Millionen Menschen, die in Europa leben, in dem Rassismus und Terror gegen andere Menschen und Minderheiten keinen Platz mehr haben, weil dies alle
treffen würde, gleichzeitig und ohne Ausnahme.

2. Angesichts der Euro-Krise zweifeln einige Deutsche an der europäischen Idee. Was entgegnen Sie Europa-Skeptikern?

Das Europa von heute ist nur ein Zwischenschritt in dem Versuch seit den Tagen von Hallstein, Adenauer und De Gaulle, ein neues und friedliches Europa vor dem Hintergrund des 2. Weltkrieges zu schaffen. Die heutigen Probleme des Euro spiegeln lediglich die Fehler wider, die im ersten oder zweiten Anlauf auf dem Weg zu einem neuen Europa begangen wurden. Seit 1945 erlebt Europa die längste Friedensperiode seiner jüngeren Geschichte, auch dank der europäischen Idee der vereint kooperierenden Nationalstaaten und einstigen Feinden, verbunden und voneinander abhängig durch wirtschaftliche Verflechtungen und Investitionen. Der Euro kann und wird sich stabilisieren, auch wenn Spekulanten außerhalb Europas zurzeit um des kurzfristigen Profits willen anderes wollen. Nach Einführung eines europäischen Wirtschaftsministeriums und verbindlicher Haushaltsvorgaben für alle, unter Berücksichtigung und Respektierung der jeweiligen unterschiedlichen Wirtschaftsleistungen und -möglichkeiten eines jeweiligen Staates – damals der Grundfehler bei der Einführung des Euros -, wird sich der Euro als starke europäische Währung erweisen. Die europäische Idee darf nicht auf dem Altar des kurzfristigen spekulativen Profits geopfert werden, wie etwa Großbritannien es gerne tun würde und dabei übersieht, dass es heute Europa mehr braucht als umgekehrt.

3. Was für ein Europa wünschen Sie sich für Ihre Kinder?

Ich wünsche mir für meine Kinder ein Europa, das keine nationale Grenzen mehr kennt, in dem die nationalen Eigenarten und Bräuche jedes Volkes und der Minderheiten wie auch deren Geschichte gelehrt, respektiert und anerkannt wird.
Ich wünsche mir, nicht nur für meine Kinder, ein demokratisch regiertes Europa, das mehr ist als eine Wirtschaftsunion, in dem jedes Kind in jedem Land zwei oder drei europäische Fremdsprachen neben der eigenen Muttersprache als Pflichtfach lernt, wie es heute bereits in der Schweiz üblich ist, in dem jedes Kind im Laufe seiner Schulzeit wenigstens in zwei anderen Ländern als Gastschüler gelebt und gelernt hat und damit die Angst vor dem Fremden verliert. Ich wünsche mir ein Europa der sauberen nichtatomaren Energie und der kostenlosen und optimalen Bildungsmöglichkeiten für beide Geschlechter, ein Europa der Hochgeschwindigkeitszüge, in dem ich jede wichtige Stadt erreichen kann und damit der Flugbetrieb entscheidend reduziert wird. Ein Europa, in dem wieder drei Generationen unter einem Dach leben, damit sich die Großeltern und Senioren um die Enkel, und die Eltern der Kinder um ihre Arbeit kümmern können, und ein Europa, in dem die Arbeit für das Wohl der Bürger und die Erhaltung und der Schutz der Umwelt und der Natur keine leeren Worthülsen, sondern Teil der täglichen politischen Arbeit sind, in allen politischen Parteien.