Wir sind Europa – Teens und ihre Familien
Der Fotograf Uwe Ommer und die Journalistin Régine Feldgen begaben sich gemeinsam auf eine Reise durch Europa, um Jugendliche und ihre Familien zu ihren Meinungen, Ideen und Wünschen zu befragen. Das Ergebnis kann in Outdoor-Ausstellungen in ganz Europa bestaunt werden.
Wie entstand die Idee zum Bildband „Wir sind Europa“?
Uwe Ommer (UW): Die Idee entstand eher zufällig bei einem mehrtägigen Besuch bei Freunden, die Kinder im Teenageralter haben. Dort habe ich festgestellt, dass es oftmals zu Konfrontationen zwischen den Eltern und den Jugendlichen kam. Ich habe mich gefragt, ob das generell beim Zusammenleben mit Teenagern der Fall ist. So kam ich auf die Idee, zu diesem Thema durch die europäischen Länder zu reisen, um Jugendliche und ihre Familien mit unterschiedlichen nationalen Hintergründen zu fotografieren und zu verschiedenen Themen zu befragen. Schließlich konnten wir 277 Familien fotografieren und interviewen. Jetzt wissen wir ein wenig mehr über die Sache.
Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?
UW: Die Beziehungen der Eltern zu ihren Kindern ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Im Westen ist die Beziehung meiner Ansicht nach meist etwas schwieriger als in osteuropäischen Ländern. Die Kinder sind dort noch nicht in diesem Maße verwöhnt, wie es in Westeuropa der Fall ist. Anders als die Westeuropäer denken sie bereits ernsthafter über ihre Zukunft nach. Konflikte zwischen den Generationen gibt es natürlich dennoch, unabhängig vom jeweiligen Land.
Wie wurden Sie auf die abgebildeten Personen aufmerksam? Wie ist der Kontakt entstanden?
UW: Das kam ganz unterschiedlich zustande. Ursprünglich dachte ich, dass man die Leute auf der Straße, im Restaurant oder im Park findet. So konnten wir auch vereinzelt Familien für das Projekt gewinnen. Aber Teenager verbringen ihre Zeit in der Regel ja bei Freunden, vor dem Computer oder beim Fußball spielen. In den meisten Fällen wurde der Kontakt über Freunde oder Bekannte aufgenommen, die Leute im europäischen Ausland kannten, welche wiederum Kinder im Teenageralter haben oder kennen.
Welche Gemeinsamkeiten haben Sie zwischen den Familien aus unterschiedlichen Ländern festgestellt?
Régine Feldgen (RF): Ähnlichkeiten gibt es ganz klar in der Art und Weise, wie die Jugendlichen aussehen und sich stylen. So konnten wir beispielsweise beobachten, dass Teenager von Deutschland über Portugal bis hin zum Balkan einen modischen Pony trugen. Diese Gemeinsamkeiten im Auftreten sind auch auf den Fotos erkennbar. So erkennt man äußerlich kaum noch Unterschiede der sozialen Herkunft.
Worin sich die Jugendlichen auch ähneln sind ihre Ambitionen, gerne im Ausland studieren zu wollen. Gleichzeitig möchten einige auch gerne wieder in ihr Heimatland zurückkehren, um dort mit dem Studierten und Gelernten tätig zu werden. Das trifft besonders auf Jugendliche aus den neuen EU-Ländern zu.
Wie blicken die Jugendlichen auf ihre (europäische) Zukunft?
RF: Generell war unsere Absicht, einen positiven Blick auf die junge europäische Generation zu richten und sie zu Wort kommen zu lassen. Auch hier ist aber ein großer Unterschied zu erkennen: Jugendliche aus Bulgarien, Rumänien oder der Ukraine sehen ganz klar die Vorteile der Europäischen Union. Fragt man Italiener, Franzosen oder Spanier zu ihrer europäischen Zukunft stößt man oftmals auf Desinteresse.
UW: Die meisten Jugendlichen sind sehr optimistisch. Teenager aus Nicht-EU-Ländern erhoffen sich durch eine EU-Mitgliedschaft ein Ende der Arbeitslosigkeit und größere Möglichkeiten im Ausland zu studieren. Ein 16jähriger aus Albanien äußerte sich etwa wie folgt: „Beim Gedanken an die Europäische Union möchte ich fast an das Ende der Arbeitslosigkeit glauben.“ Hier sieht man also, dass die Arbeitslosigkeit – gerade in den osteuropäischen Nicht-EU-Ländern – ein zentrales Thema bedeutet, das die Jugendlichen beschäftigt. Sie sind der Meinung, dass in der EU vieles einfacher wäre – was ja auch nicht immer der Fall ist.
RF: Ein Anknüpfungspunkt war auch immer die Reisefreiheit –bei Eltern wie Jugendlichen. Ohne Visum und Schlange stehen in verschiedene Länder reisen zu können, ist der Wunsch der Bürger, deren Land noch nicht zur EU gehört.
UW: Jedoch äußerten auch manche Jugendliche Klagen in den Ländern, die den Euro haben. Wie beispielsweise eine junge Griechin: „Die Mitgliedschaft in der EU gefällt mir. Jetzt aber denke ich, dass wir vor einiger Zeit besser aus der EU ausgetreten wären. Wir haben zu viele Probleme.“ Diese Teenager beschäftigen sich schon verhältnismäßig früher mit politischen Problemen als Jugendliche aus westeuropäischen Ländern.
Was nehmen Sie als zentrale Erfahrung aus diesem Projekt mit?
UW: Meine zentrale Erfahrung ist, dass die Jugendlichen, die wir getroffen haben, einen tollen Optimismus und eine enorme Energie haben. Ihr allgemeiner Spruch ist: „Habt Vertrauen in uns! Wir sind den Anforderungen gewachsen.“
Sie zeigen Ihre Aufnahmen auch in Ausstellungen in ganz Europa. Wie sind die Reaktionen?
UW: Hervorragend. Bisher haben wir drei Ausstellungen der Bilder und der Interviews realisiert, die überwiegend unter freiem Himmel in Parks stattgefunden haben: Eine in Deutschland und zwei in Frankreich. Nicht nur die Organisatoren, sondern auch die Anwohner und Touristen waren begeistert. Momentan organisieren wir weitere Ausstellungen für das Jahr 2013 in ganz Europa.
RF: Uns ist ein freier Zugang zur Ausstellung wichtig. Zurzeit sind wir noch auf der Suche nach einem geeigneten Outdoor-Ausstellungsort in Deutschland. Denn gerade im Hinblick auf den Friedensnobelpreis für die EU zeigt die Ausstellung einen menschlichen Blick auf Europa: Man hat so die Möglichkeit, die europäischen Nachbarn kennenzulernen; man sieht, wie die Personen in anderen europäischen Ländern leben und durch die Interviews erhält man einen Eindruck über Meinungen, Ideen und Wünsche anderer Personen, die in Europa leben.
Uwe Ommer ist ein deutscher international anerkannter Fotograf und lebt derzeit in Paris. Er fotografierte die Familien und Jugendlichen.
Régine Feldgen arbeitet im Kulturmanagement, ist Mutter von zwei Teenagern und lebt in Frankreich. Sie führte die Interviews mit den Familien.


