Wie kann aktives Altern im Arbeitsleben gelingen?

Im Rahmen einer hochrangig besetzen Launch-Konferenz am 20. Juni stellte das Büro der Bertelsmann Stiftung in Brüssel und das European Policy Centre (EPC) das Kooperationsprojekt „Creating second career labour markets – Towards more employment opportunities for older workers“ der Fachöffentlichkeit vor. Ziel des Projektes ist es, auf europäischer Ebene Impulse für die Debatte um aktives Altern am Arbeitsplatz zu geben. Gesucht wird nach innovativen Lösungsansätzen in den vier Bereichen Staat, Sozialpartner, Unternehmen und Individuen, mit denen ältere Beschäftigten ein Verbleib im Erwerbsleben ermöglicht wird.
Foto: Christopher Irons, European Policy Centre

Eröffnet wurde die Veranstaltung im Residence Palast in Brüssel von Hans Martens, Chief Executive of EPC, der das Projektvorhaben präsentierte, gefolgt vom EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, László Andor, und Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales in Deutschland. Vor den rund 90 Konferenzteilnehmern skizzierten Andor und von der Leyen die steigende Bedeutung von älteren Arbeitnehmern und deren aktiven Teilnahme am Arbeitsmarkt, vor dem Hintergrund der zukünftigen demografischen Herausforderungen aus europäischer und nationaler Perspektive.
EU Kommissar Andor machte dabei deutlich, dass die Notwendigkeit eines Gelingen von „active ageing at work“ nicht nur aus makroökonomischer Sicht für Europa bestehe, sondern verwies auch auf die individuelle Bedeutung. So seien einer neuen Eurobarometer Studie nach viele Europäer bereit, auch über das offizielle Pensionsalter hinaus zu arbeiten, sähen die Bedingungen dafür jedoch als nicht gegeben an. Diesen Menschen, die „vielleicht nicht mehr in ihrem alten Job und vielleicht auch nicht mehr in Vollzeit arbeiten wollen“ müssen Möglichkeiten eröffnet werden, auch im Alter erfolgreich am Erwerbsleben teilzunehmen. Andor betonte zudem die großen Differenzen in den Ausgangslagen und Entwicklungsgeschwindigkeiten der einzelnen EU Mitgliedsstaaten und hob hervor, dass es keine „Lösungsstrategie für alle“ geben kann. Vielmehr müssten individuelle, lokale und regionale Lösung gefunden werden.
Frau von der Leyen betonte die Aufgabe der Politik als Rahmengeber für ein erfolgreiches Altern am Arbeitsplatz. So müssten alle gesetzgeberischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, Karrierebedingungen und Arbeitsumfeld dahingehend zu verbessern, dass älteren Beschäftigten ein längerer Verbleib im Erwerbsleben ermöglicht wird - auch wenn „Politiker sich damit in manchen Kreisen unbeliebt machen würden“. Gleichzeitig betonte Sie die Wichtigkeit adäquater Angebote für Lebenslanges Lernen und forderte an dieser Stelle auch die Wissenschaft auf ihren Beitrag zu leisten: „Es müssen datenbasierende Erkenntnisse und `best practice´ Beispiele in Europa identifiziert werden, die vormachen, wie lebenslanges Lernen erfolgreich funktionieren kann“. Nur so ließen sich von der Leyen nach weitere Arbeitgeber überzeugen, in das Humankapital ihrer Arbeiter auch langfristig zu investieren: „Erfolgsgeschichten sind viel überzeugender als jede politische Rede.“ Die Arbeitsministerin machte sich zudem nochmals für die Rente mit 67 stark, da diese den Arbeitgebern deutlich vor Augen führe, dass Frühverrentung künftig keine Option mehr sei und viel stärker als bisher in die Beschäftigungsfähigkeit der Belegschaften investiert werden müsse.
An der anschließenden Panel Diskussion, geleitet von Aart De Geus, beteiligten sich neben den beiden Eröffnungsrednern auch Sven Otto Littorin, ehemaliger Arbeitsminister in Schweden, sowie Anne-Sophie Parent, Secretary Genaral der AGE Platform Europe ein europäisches Netzwerk mit rund 165 Mitgliedsorganisationen von und für Personen über 50+.
Littorin hob dabei hervor, dass es an der Zeit wäre mit den Mythen aufzuräumen, dass ältere Arbeitnehmer nicht arbeiten wollen würden und dass eine hohe Anzahl älterer Arbeitnehmer innerhalb eines Arbeitsmarktes die Arbeitsmarkchancen für jüngere Alterskohorten verschlechtern würden. Beides ließe sich der Datenlage nach nicht bestätigen und auch das Beispiel in Schweden hätte gezeigt, dass mit den geeigneten gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Unterstützung der Sozialpartner ein erfolgreiches Miteinander von älteren und jüngeren Belegschaften auf dem Arbeitsmarkt und am Arbeitsplatz möglich sei. Ältere Arbeiter würden unter diesen Bedingungen auch über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten wollen. Anne Sophie Parent von der AGE Platform Europe brachte im Abschluss des Panels noch den Aspekt der Wertschätzung für die Arbeit älterer Personen in die Diskussion. Sie zeigte auf, dass für viele Mitglieder ihrer Organisation nicht unbedingt die finanziellen Anreize eines Einkommens ausschlaggebenden seien, sich auch im höheren Alter auf dem Arbeitsmarkt zu engagieren. Vielmehr seien sie daran interessiert sich „gebraucht zu fühlen und Wertschätzung zu erfahren“. Zwar würde der Anteil derjenigen, die im Alter auf ein Zusatzeinkommen angewiesen sind, zunehmend steigen, doch für viele ihrer Mitglieder sei es viel schwieriger dem Statusverlust, der oftmals mit dem Ruhestand einhergeht, zu begegnen da sie sich subjektiv noch nicht als „alt“ sehen.
"Ältere Arbeitnehmer wollen arbeiten”, hielt Aart De Geus in seiner Schlussbemerkung fest „aber um Sie in die Lage zu versetzten, braucht es eine helfende Hand. Die Verantwortung für ein erfolgreiches „active ageing at work“ liegt bei allen Stakeholdern gleichermaßen."